Taktik und Strategien beim Fliegenfischen
Der Wurf mit der Fliegenrute gehört zu den wichtigsten Voraussetzung für den Erfolg am Fischwasser. Doch ohne Wissen um das Fressverhalten und den davon abhängigen Techniken zur Präsentation der Fliege bleibt auch der gute Werfer unter seinen Möglichkeiten.
Fischen mit der Trockenfliege
Schon Charles Ritz (Erlebtes Fliegenfischen) wusste, dass der Biss auf eine Trockenfliege zu 85% von der Präsentation der Fliege und nur zu 15% vom Muster abhängt (das Verhältnis ändert sich bei Nassfliegen. Insbesondere beim Lachsfischen kommt dem Muster eine größere Bedeutung zu !).
Der volle Reiz des Fischens mit der Trockenfliege erschließt sich deshalb nur dem guten Werfer, weil die Präsentation maßgeblich von der Qualität des Wurfes abhängt. Eine gute Präsentation bedeutet insbesondere:
- mit wenigen Leerwürfen die Schnur auf die gewünschte Länge bringen
- die Fliege zielgenau plazieren
- Die Fliege „natürlich“ (d.h. i.d.R. zart) aufsetzen.
- Das Furchen der Fliege (Dreggen) so lange wie möglich verhindern
Die Präsentation der Trockenfliege variiert ein wenig mit dem Fisch, der befischt wird.
- die Forelle: hier müssen alle Würfe auf den steigenden Fisch gelingen, weil die Forelle – insbesondere die größeren Exemplare – sonst vergrämt wird. Ich selbst versuche mit 3- 5 Würfen den Fisch zu haken, bevor ich eine Pause einlege oder einen anderen Fisch anwerfe. Mit den ersten ein bis zwei Würfen setze ich die Fliege, bezogen auf die Fliessrichtung des Wassers, relativ weit vor dem Ring und lasse die Fliege ohne zu dreggen (furchen) über den Ring treiben. Mit den nächsten ein bis zwei Würfen mindere ich den Abstand zum Ring und platziere den letzten Wurf schließlich genau auf den Ring. Mit jedem weiteren Wurf schwinden die Bisschancen überproportional. Besser man wartet, bis der Fisch ein weiteres Mal gestiegen ist und wiederholt dann die beschriebenen Prozedur.
- die Äsche: die Äsche verzeiht mal einen misslungenen Wurf, so dass diese wiederholt angeworfen werden kann. Sie steigt immer vom Grund nach der Trockenen und nimmt nur Nahrung von einem ganz kleinen Bereich auf. Die Trockenfliege muss aus diesen Gründen, bezogen auf die Fliessrichtung des Wassers, möglichst weit vor dem Ring plaziert werden und muss mittig und absolut dreggfrei auf den Ring zutrieben.
Gerade größere Fische steigen gerne in einem bestimmten Rhythmus. Es hat dann wenig Sinn, in den Steigpausen die Fliege anzubieten. In einem solchen Fall kann zum Erfolg führen, die Fliege zum richtigen Zeitpunkt zu servieren. Dazu misst man die Zeitdauer der Steigpausen ab und serviert die Trockenfliege, wenn der nächste Stieg zu erwarten ist. Mir hat diese Taktik – speziell in den schwierigen, ruhigen Flusspassagen – schon so mach guten Fisch gebracht.
Für mich gehört das Fischen mit der Trockenfliege zur Königsdisziplin unserer Passion, weil es die höchsten Anforderungen an den Fischer stellt. Es gibt nichts spannenderes, als den Biss auf die Trockenfliege zu erwarten.
Fischen mit der Nassfliege
Standplatz finden
Gerade beim Fischen mit der Nassfliege ist die Frage nach dem Standplatz der Fische wichtig. Denn zeigt sich der Fisch nicht an der Wasseroberfläch, muss der Fischer die guten Standplätze ausfindig machen. Ein guter Standplatz insbesondere am Fluss oder Bach ist gefunden, wenn die folgenden Faktoren zutreffen:
- bietet er genügend Schutz bzw. Deckung ?
- muss der Fisch dort wenig Energie aufbringen ?
- treibt dort überdurchschnittlich viel Nahrung vorbei ?
Nymphe
Die Nymphe spielt ihren Vorteil am besten aus, wenn sie ganz tief, am besten direkt über den Grund, fischt. zum einen beißen die tiefstehenden Fische meist nur auf die Nymphe, zum anderen wird die Nymphe oft genau dann genommen, wenn sie für den nächsten Wurf wieder hochgenommen wird („Aufsteiger“). Die Nymphe fische ich hauptsächlich mit 2 unterschiedlichen Methoden
a1) Aktiv: An der extrem schnellsinkenden Sinktippleine mit kurzem, ca. 60 cm langem Vorfach. Die Nymphe wird auf Fühlung gefischt und mit kurzen ruckartigen Bewegungen eingeholt. Diese Methode eignet sich auch hervorragend für das Fischen mit Streamern.
a2) Passiv („dead drift“): Mit schwimmenden „Bissanzeiger“ und langem Vorfach, wobei ich den Bissanzeiger häufig weglasse. Das Vorfach muss ungefähr doppelt solang wie die Tiefe der abzufischenden Stelle sein. Das erfordert Vorfachlängen, die i.d.R. um die 4 m liegen. Es ist ratsam, vor die Fliege in einigem Abstand noch ein Bleischrot zu befestigen. Die Fliege wird schräg stromauf über den Bereich geworfen, den ich befischen möchte und in dead-drift abtreiben gelassen. Wird unmittelbar nach dem Ablegen ein kleines „S“ in das Schnurende gemendet, sinkt die Nympfe besser. Zwischen „Bissanzeiger“ und der Nymphe hingegen muss das Vorfach gespannt sein – was bei fast allen Strömungsverhältnissen durch diese Art Montage selbständig erreicht wird. Sobald der „Bissanzeiger“ stehen bleibt, muss ein schneller, kurzer Anhieb erfolgen. Diese Methode ist äußerst erfolgreich – wenn der Anhieb schnell genug kommt ! Die Nachteile bestehen darin, dass einerseits das „Wurffeeling“ und die Wurfweite schlecht und andererseits häufig Hänger nicht zu vermeiden sind. Wegen des langen Vorfachs kann diese Methode nur mit langen Fliegenruten (9 Fuss und länger) einigermaßen komfortabel praktiziert werden.
Streamer
Beim Fischen mit dem Streamer kommt es wesentlich auf die Führung (Bewegung) an. In vielen Büchern und Videos wird eine gleich- und regelmäßige Führung des Streamers beschrieben bzw. gezeigt, die höchstens in der Einholgeschwindigkeit variiert. Meine Erfahrungen mit dem Streamer sprechen ganz eindeutig gegen diese Art der Führung. Die meisten Erfolge konnte ich verbuchen, als ich den Streamer völlig ohne jede Kontinuität geführt habe: während eines Einholvorganges mal ganz langsam, plötzlich ein, zwei schnelle Strips, anschließend ein leichter Ruck, dann wieder langsam, ein Strip… usw. wie es einem gerade in den Sinn kommt. Hauptsache keine gleich- und regelmäßige Führung. Oder hat schon mal jemand ein Fischchen – erst recht wenn es Gefahr verspürt – langsam und ruhig wegschwimmen sehen ? Nach meiner Erfahrung ist es gerade die stark variierende Führung des Streamers, die den Fisch zum Anbiss verleitet. Vielleicht weil der Streamer so besser einen kranken oder flüchtenden Beutefisch imitiert.
Wichtig ist außerdem, den Streamer möglichst in der Tiefe anzubieten, in welcher der Fisch steht. Und der steht meistens tiefer, so dass der Streamer am besten an der Sinkschnur montiert wird (oder anstelle der Sinkschnur mein ‚Birnchen‘ verwenden !). Zwar geht der raubende Fisch auch aktiv nach der Beute, jedoch ist ein „vor dem Maul“ geführter Streamer immer von Vorteil. Da der Streamer auf Kontakt gefischt wird ist es wichtig, den Wurf gestreckt abzulegen.
Fliegenfischen auf Meerforelle an der Küste
Zum Meerforellenfischen bin ich Anfang der 2000er Jahre gekommen. Die ersten Erfolge waren sehr bescheiden und ich musste einige Male von meinen Fischerfreunden überredet werden, mit Ihnen zusammen an die Küste zu fahren. Die Weite der Küste und die verhältnismäßig kurzen Würfe mit der Fliegenrute minderten während meiner Anfangszeit das Vertrauen in die Fangaussichten sehr. Doch Durchhaltevermögen und zunehmende Erfahrung zahlten sich aus und meine Fänge nahmen erheblich zu. Heute kann ich mir das Fischen auf Meerforellen nicht mehr wegdenken.
Die Meerforelle zieht auf der Suche nach Futter an den Küstenabschnitten umher. Es gilt die Meerforelle bei dieser Suche zu finden. Dabei hilft , wenn auf folgendes besonders geachtet wird:
- Wassertemperatur
- Untergrund („Leopardengrund“)
- Futtertiere im Uferbereich
- Windrichtung
Die Wassertemperatur spielt eine wesentliche Rolle. Von Spätherbst bis Frühjahr sollten gezielt Stellen aufgesucht werden, die eine überdurchschnittlich hohe Temperatur aufweisen. Im Sommer ist es umgekehrt. Daraus ergibt sich, dass im Sommer eher in der kälteren Abendzeit und von Herbst bis Frühling eher in der wärmere Tageszeit gefischt werden sollte. Abwechslungsreiche Küstenabschnitte mit Buchten bieten den Meerforellen die Möglichkeit, sich entsprechend den Bedingungen einzustellen. Gerade Buchten besitzen häufig eine etwas höhere Wassertemperatur und einen höheren Anteil Süßwasser als das offene Meer, weshalb sich die Meerforelle dort in der kälteren Jahreszeit gerne aufhält. Ein weiterer Hinweis auf eine vielversprechende Stelle ist, wenn beim Einwaten Futtertierchen (Tangläufer, Garnelen, Mysis, Fischchen) gesehen werden.
Von Vorteil ist eine leicht aufgewühlte See. Die Wasserbewegung bietet den Futtertierchen weniger Versteck, weshalb die Meerforellen dort häufiger anzutreffen sind. Darüber hinaus wird ihre scheu gemindert. Den Wind habe ich gerne schräg auf- oder ablandig, weil er das Wasser genügend in Bewegung bringt und trotzdem ein komfortables Werfen mit dem Fliegengerät zulässt. Steht der Wind auch nur teilweise auf der Rutenhandseite, so drehe ich mich zur Uferseite um und lege den Wurf rückwärts ab. Bei absolut ruhiger See haben meine Fischerfreunde und ich wesentlich weniger Erfolge zu verzeichnen.
Der Wind entscheidet maßgeblich darüber, ob sich tieferes und oberflächennahes Wasser austauschen können. Im Frühling ist der Meerforelle das tiefere Wasser eher zu kalt, so dass sie das wärmere Oberflächenwasser bevorzugt. Ein auflandiger Wind bringt dieses wärmere Wasser in Ufernähe und mit diesem auch die Meerforellen. Im Sommer hat sich das oberflächenahe Wasser bereits so stark erwärmt, dass die Meerforellen das kühlere tiefere Wasser bevorzugen. Dann ist ablandiger Wind von Vorteil, weil er das warme Wasser vom Ufer wegdrückt, so dass kühleres Wasser von unten nachströmen kann. Wenn die erste kältere Wetterperiode im Herbst das Oberflächenwasser abgekühlt hat, besitzt es die bevorzugte Temperatur der Meerforellen und ein auflandiger Wind ist wiederum von Vorteil. Im Winter schließlich hält das tiefere Wasser eine für den Stoffwechsel der Meerforellen wichtige Restwärme gespeichert, welches mit ablandigem Wind in Ufernähe gelangt. Es lohnt sich dann geziehlt Stellen zu befischen, bei denen tieferes Wasser nicht weit entfernt ist. Wassertemperaturen von über 18 Grad werden von den Meerforellen gemieden.
Je kälter die Wassertemperatur, desto farbenfroher sollte die Fliege gewählen und langsamer geführt werden. Eine Garnelenimitation ist für mich oft die erste Wahl, wenn ich keine Futtertiere oder Garnelen bzw. Tangläufer entdecke. Aus Vorgenanntem ergeben sich die folgenden Empfehlungen für die Wahl des Angelplatzes:
a) In der kalten Jahreszeit: hoher Süßwasseranteil, dunkler Untergrund, Buchten bzw. Förden, flacheres Wasser, eher tagsüber fischen, farbenfrohe Fliegen
b) In der warmen Jahreszeit: offene Küste bzw. Fahrrinnen, tieferes und strömungsreiches Wasser dicht unter Land, eher über Nacht fischen, Fliegen mit hohem Imitationswert
c) Windrichtung: Sommer und Winter ablandig, Frühjahr und Herbst auflandig
Das Fischen auf die Meerforelle ähnelt dem Streamerfischen. Auch an der Küste ist unbedingt auf einen gestreckten Wurf samt Vorfach zu achten. Lieber etwas kürzer bei gestreckten Vorfach als weiter bei ungestrecktem, gekräuseltem Vorfach werfen !
Fliegenfischen auf Lachs
Seit meiner Kindheit kenne ich den äußerst erfahrenen Lachsfischer Rudolf ‚Rudi‘ Masurat, der an den bekanntesten Lachsflüssen Schwedens und Norwegens gefischt hat. Mit ihm konnte ich einige Male an der Gaula auf Lachs fischen und viel von seinen Erfahrungen und Erlebnissen über die Lachsfischerei profitieren.
Der Lachs gibt auch erfahrenen Fischern oft Rätsel auf. Man findet wohl kaum zwei Lachsfischer, die auf die selben Fliegenmuster schwören – und trotzdem haben beide gleichermaßen Erfolg bzw. Misserfolg. Nicht zufällig ist die Palette an verschiedenen Lachsfliegenmustern so groß. Aber es gibt auch übereinstimmende Ansichten, denn die meisten Lachsfischer wählen die Fliege nach den Faktoren Wasserstand, Wassertemperatur und Wasserfarbe aus:
- Je kälter das Wasser und je höher des Wasserstand, desto größer die Fliege und desto tiefer und langsamer ihre Darbietung
- Die Farbe der Fliege grundsätzlich nach der „Farbe“ des Wassers wählen. Bei grellem Sonnenschein helle Fliegen wählen (z.B. Gerry), bei Dämmerung eher dunkle.
- Je trüber das Wasser, desto farbenfroher die Fliege
Auch beim Lachsfischen ist es sehr wichtig, dass auf ein gestrecktes Vorfach geachtet wird. Eine Fliege, die nicht sofort nach dem Eintauchen Zug erfährt und dadurch zu fischen beginnt, wird nach Meinung der meisten Lachsfischer weit häufiger vom Lachs verschmäht.
Ganz besonders wichtig ist außerdem zu wissen, wo der Lachs im Fluss entlangzieht und rastet. Da dies sehr vom Wasserstand abhängig ist, muss sich der Fliegenfischer den Strömungsverlauf am Wasser genau anschauen. Grundsätzlich verhält sich der Lachs wie jeder andere Fisch am Fluss (siehe „Standplatz finden“ oben), allerdings mit einer wichtigen Ausnahme: der Lachs wählt seinen Standplatz nicht nach dem Nahrungsvorkommen, da er während seines Aufstieges nicht mehr frisst. Bleiben einerseits das Bedürfnis nach Schutz / Deckung und andererseit der geringer Energieaufwand übrig. In der Regel sind die Strömungskanten immer gute Stellen, insbesondere die von Innenkurvenseiten.
Der sich ändernde Wasserstand hat auch großen Einfluss auf das Beisverhalten der Lachse. Lässt beispielsweise ein Regenguss den Wasserstand ansteigen, beginnen viele der in der Mündung stehenden Lachse mit dem Auftieg in den Fluss. Beginnt dann der Wasserstand zu fallen, nehmen die Lachse oft bereitwillig die Fliege. Es lohnt sich, den Zeitpunkt des Wasserscheitelpunktes („peak“) zu ermitteln und dann bei fallendem Wasserstand intensiv zu fischen !
Mir hat die Befolgung der vorgenannten Regeln manch schönen Lachs gebracht, auch meinen bisher größten Lachs. Sollte die so ausgewählte und dargebotene Fliege nicht zum Biss verleiten, dann kann eine bewusste Abweichung von den Regeln den Erfolg bringen. Hier meine ich zuerst eine Änderung in der Führung / Bewegung der Lachsfliege, die manchen Lachs plötzlich zum Anbiss verführen kann. Letztlich hilft am besten Durchhaltevermögen. Am erfolgreichsten sind meist die Lachsfischer, die ausdauernd fischen und mit so wenig Leerwürfen wie möglich auskommen. Nur die Fliege im Wasser fängt – das war dann auch immer der Rat von Rudi, wenn mal nichts am Wasser ging.